Sonntag, 17. August 2014

Independence Day!

Heute war Independence Day! Wenn mensch bedenkt, wie lange und schwierig der Weg zu Indiens Unabhängigkeit war, ist es klar, dass dieser Tag hier ziemlich groß gefeiert wird.
Der ganze Tag hat sich ein bisschen so angefühlt, als hätte jede_r Geburtstag (was auch irgendwo der Fall war, schließlich war es die Geburtsstunde der Nation und es mangelt in Indien ja an vielem, aber an Nationalstolz sicherlich nicht). Alle sind mit einem Lächeln durch die Gegend gelaufen & haben sich gegenseitig einen "Happy Independence Day" gewünscht.
Die Festtagsstimmung fing sogar schon ein paar Tage früher an, als die Zahl der indischen Flaggen, die auf den Straßen zu sehen waren, auf einmal exponentiell anstieg, Tempel und Regierungsgebäude mit Lichterketten geschmückt wurden (auch wenn das bei mir mehr Erinnerungen an einen Jahrmarkt geweckt hat) und der Unterricht für uns Austauschschüler_innen ausfiel, damit wir ein Lied für das kommende Event einstudieren konnten.
Dann war er endlich da, der Unabhängigkeitstag. Ein Feiertag war heute nicht, zumindest nicht in dem Sinne, dass schulfrei war - gefeiert wurde ganz schön viel! Zuerst sind wir alle wie gewöhnlich mit den Schulbussen zur Schule gefahren (wobei, ganz "wie gewöhnlich" war es dann doch nicht. Alle Schüler_innen waren in Sportuniform & da die gerade von weißen auf blaue T-Shirts umgestellt wird & optional noch eine Trainingsjacke getragen werden konnte, sah das verhältnismäßig bunt aus. Eine andere Austauschschülerin meinte passend: "I've never seen so much individuality in this school!"), danach ging es aber nicht in die Activities sondern gleich in die einzelnen Klassen. Sobald die Schüler_innenschaft geordnet war, haben uns die Schulbusse, diesmal nicht nach Wohnort sondern nach Alter (& Geschlecht) sortiert, zu einem Krankenhaus für Krebspatient_innen gebracht. Kurz zum Hintergrund: Emerald Hights ist eine Privatschule (die mit Abstand teuerste in ganz Indore), die von einer Familie geführt wird. Sprich, die Idee dieser ganzen Schule kam von der Frau des aktuellen Schulleiters. Sie war quasi Visionären & hat den ganzen Schulkomplex mit seiner Ausstattung und seinen Lehrmethoden aufgebaut & geleitet (& wird dementsprechend ziemlich verehrt), bis sie 2011 überraschenderweise früh verstorben ist. Seitdem ist ihr Mann Schulleiter und ihr Sohn (gerade mal Mitte 20) Vize. Die Beiden wohnen zusammen mit der Frau vom Sohn (die wirklich wunderschön ist, aber anscheinend auch nicht mehr Aufgaben hat, außer schön zu sein) in einem Haus am Rand des riesigen Schulgeländes. Und dieses "Haus", Palast trifft es glaube ich eher, ist wirklich unbeschreiblich groß, luxuriös und wundervoll! (Ich war einmal dort zu Besuch und habe im Heimkino einen Film geguckt, deswegen kenne ich es auch von Innen). Worauf ich eigentlich hinaus will, ist, dass diese Familie und die Schule ziemlich eng verbunden sind, ist ja quasi ein Familienunternehmen (zB war auch für die letzten Tage die Tochter des Schulleiters zu Besuch, und auch wenn sie nie an der Schule gearbeitet hat, kennen sie alle). Und da diese Familie, die erwartungsgemäß ziemlich viel Geld hat, neben einer Schule noch ein paar andere Dinge finanziert, komme ich jetzt wieder zurück zu dem Krankenhaus. Wie genau das jetzt mit dem Geld aussieht, also wer da was bezahlt usw, weiß ich ehrlich gesagt auch nicht, nur irgendwie ist unser Schulleiter und folglich Emerald Heights da mit drin.
Das Krankenhaus an sich ist eigentlich eine ziemlich tolle Sache. Privat, versteht sich. Aber nicht für die Elite Indores, wie es bei Emerald Heights der Fall ist, sondern gerade für die am anderen Ende der Gesellschaft. Das Krankenhaus behandelt seine Krebspatient_innen nämlich allesamt komplett umsonst und bietet somit auch den Menschen, die in Armut leben müssen, die Möglichkeit einer qualitativ hochwertigen Behandlung ihrer Krankheit. Doch so kostenfrei das für die Patient_innen auch sein mag, das Geld muss natürlich trotzdem irgendwo her. Und deswegen, um jetzt meinen doch etwas länger gewordenen Exkurs zu beenden, hat Emerald Heights am Independence Day einen Spendenmarathon veranstaltet, bei dem alle Schüler_innen mitgelaufen sind (wobei die Jüngeren nicht vom Krankenhaus aus gestartet sind, sondern etwas näher bei der Schule). Die Strecke an sich war 6 1/2 Kilometer lang und nach jeden Kilometer standen Schulbusse, die eine_n bei Bedarf ein Stück mitgenommen und mit Wasser (aus Plastiktüten) oder Bananen versorgt haben. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ICH die gesamte Strecke, teils laufend teils gehend zurück gelegt habe, OHNE den Bus zu nehmen und sogar relativ zeitig wieder an der Schule war! ^^ 
Dort angekommen ging dann nach ein bisschen Nationalhymne singen, Flagge hissen, stramm & geordnet da stehen und einer kurzen Pause das eigentliche, nicht weniger Patriotismus-beladene Programm los. Das bestand im Wesentlichen aus Auftritten von verschieden Chören und Tanzgruppen der Schule, die eher schlecht durch Worte weitergegeben werden können (Ich lade da bald noch ein paar Fotos von hoch). Interessant hierbei war aber, das es neben verschiedenen traditionellen Tänzen aus ganz Indien, auch Acts gab, die den traditionellen mit modernem Tanz gemischt haben und das, was dabei raus kam, fand ich richtig gut! Spezifisch zum Anlass wurden bei einem Auftritt auch Persönlichkeiten geehrt, die sich um die Unabhängigkeit Indiens verdient gemacht haben und so konnte mensch beispielsweise mehrmals einen ziemlich junggebliebenen Gandhi über die Bühne gehen sehen.
Weiter gab es aber auch eine Rede eines Special Guests. Dazu muss ich aber nochmal zum Spendenmarathon zurück. Mitgelaufen ist bei dem nämlich neben Schüler_innen, einigen Lehrer_innen und den Schulleitern, vor allem auch noch ein Veteran. Er war quasi der Star der ganzen Veranstaltung & sein Kommen wurde vorher schon groß plakatiert. Dieser Major nämlich wurde während seines Militärdiensts von einer Bombe so stark verletzt, dass ihn der Doktor vor Ort sogar für tot erklärt hatte. Das hat ihn aber herzlich wenig interessiert, er hat einfach trotzdem weiter gemacht. Heute ist er nicht nur ein gewöhnlicher Kriegsveteran, sondern Gründer des Verbands "The Challenging Ones" und nimmt, trotz amputierten Beins, regelmäßig an Läufen teil, wie eben auch diesen Freitag.
Das alles hat er auch in seiner Rede in der Großen Halle vor über 4000 begeisterten Schüler_innen erzählt. Natürlich, seine Geschichte ist ziemlich faszinierend und es ist unglaublich, wie viel Stärke dieser Mann hat, aber ein bisschen irritiert war ich nach seiner Rede dann doch. Es war viel weniger der Inhalt, den ich irritierend fande (es ging darum, dass überdurchschnittliche Ergebnisse nie erreicht werden können, wenn mensch in seiner "comfort zone" bleibt und dass das Schicksal zwar eine Rolle spielt, aber letzten Endes doch alles davon abhängt, wie sehr du Kontrolle über deinen Körper hast. Die fünf Schlüsseleigenschaften die ihn zu dem gemacht haben, was er heute ist, waren ihm zufolge Passion, Focused Hard Work, Control, Courage & Prayers&Blessings), sondern viel mehr die Art & Weise, wie er seinen Auftritt gestartet und beendet hat. Er hat eine Art Sprechchor mit seinem Publikum gemacht, der mich ziemlich an die "Hätzfeld! - Helau!, Hätzfeld! - Helau!, Hätzfeld! - Helau!" Rufe während der Faschingszeit in meinem Stadtteil erinnerte, nur inhaltlich gab es da gewisse Differenzen. Auf die "Die Göttin Indiens schenke uns" des Majors, antworteten die Schüler_innen mit einem enthusiastischen "Sieg!". Ganz so mitgerissen hat mich dieses Dschahin (= Sieg) Gerufe jetzt nicht, aber jedem_r das seine_ihre.
Passend dazu, dass Militarismus hier viel mehr und tiefer in der Gesellschaft verankert ist als in D, habe ich heute auch von Nehals Mitgliedschaft in der Jugendorganisation der indischen Airforce erfahren. Wegen dem hohen Besuch ist sie nämlich in ihrer Jugendmilitäruniform in die Schule gekommen, um den Ehrengast zusammen mit ihren Kolleg_innen gebührend begrüßen zu können. Ich bin in der Grünen Jugend und Nehal im Jugendmilitär, das sind dann so die kleinen Unterschiede zwischen uns. ^^ Aber, zugegebenermaßen, es war schon süß, wie viel Freude es ihr bereitet hat, diese Uniform tragen zu können.
So langsam komme ich jetzt auch mal zum Ende, nur eine Sache gibt es noch, die vielleicht nicht unerwähnt bleiben sollte. Der Auftritt von den Austauschschüler_innen nämlich. Grob zusammen gefasst: ich fand ihn unglaublich scheußlich. :D Wir sollten "Ham honge kamyaab" singen (ein recht bekanntes Lied hier, übersetzt heißt das ungefähr soviel wie "we shall overcome") und hatten das die Tage davor auch ein paar mal geübt. Das Problem war nur, dass (mal davon abgesehen, dass neben denen, die vorbereitet waren, auch spontan einfach noch ein paar Austauschschüler_innen auf die Bühne mussten, die das Lied davor noch nie gehört hatten) die Begleitung so unfassbar schlecht war, dass wir alle vor der HerkulesAufgabe standen, nicht laut los zu lachen während wir auf der Bühne standen. Auch wenn wir das nicht 100%tig hinbekommen haben, haben wir es doch irgendwie geschafft das Lied ohne hängen zu bleiben und fast ohne Textschwierigkeiten durch zu singen, und das ist ja immer hin schon etwas. Wir wurden von einem Keyboard begleitet, dass unglaublich schrill in einer vermeintlichen Harven-Tonart gespielt hat, gefühlte drei Oktaven zu hoch für unsere Stimmen, dazu ein Schlagzeug, dass zwar voller Leidenschaft gespielt wurde, aber gar nicht mehr fehl am Platz hätte sein können. Zuletzt gab es dann noch eine Gitarre, die etwas verloren wirkte, kaum zu hören war, aber sich als einziges Instrument wahrscheinlich gar nicht so schlecht angehört hatte. Aber da war nichts mehr zu retten, wir haben haargenau wie das kitschigste, billig produzierte Weihnachtslied geklungen, dass mensch sich vorstellen kann. Was mich nur wundert ist, wieso die Halle in einen so großen Applaus ausgebrochen ist und wieso so viele Leute nach diesem grottigen Auftritt uns gekommen sind & unsere Performance gelobt haben, aber wieso sollte ich mich deswegen beschweren..
Ich hoffe, dieser ziemlich subjektive und etwas lang gewordene Bericht vom Independence Day war irgendwie interessant.
Jetzt bin ich gerade im Auto, auf den Weg zu einem Wochenendtrip zum Sightseeing und Verwandtenbesuch, deswegen werde ich den Post hier wahrscheinlich erst Montag/Sonntag Abend hochladen können, wenn ich wieder Internet habe.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen